Fantasybuch "Spiel zwischen Licht und Dunkelheit": Kapitel 1 (Miranda)

Dieser Text richtet sich an ein erwachsenes Publikum (ab 18 Jahren) und enthält explizite Gewaltdarstellungen, blutige Szenen und dunkle Themen. Er ist nicht für Kinder oder empfindliche Leser:innen geeignet. Bitte lese verantwortungsbewusst.
Fantasybuch "Spiel zwischen Licht und Dunkelheit": Kapitel 5

Begegnung im Wald

„Mira, wo bleibst du denn?!“, brüllte ihr Doran aus dem Wald entgegen. Mit letzter Anstrengung setzte Mira zu einem Schlusssprint an. Ihre Haare folgten der Melodie ihrer Schritte, sodass sie nach links und rechts geworfen wurden. Die Schweißperlen in ihrem Gesicht glänzten. Manchmal erreichte ein Schweißtropfen ihre Augen, aber sie bemerkte von alledem nichts. Nur der Gedanke an Wasser drang in ihr Bewusstsein ein. Dem Mädchen kam es so vor, als hätte ihre Zunge das Salz aus dem ewigen Meer geküsst. „Hast du dich heimlich mit Tjorne geprügelt oder warum bist du heute so langsam?“, ertönte es. Jetzt, so kurz vor dem Ziel, hörte sie die Stimme ihres Widersachers und sah sein selbstzufriedenes Grinsen. Mira schwor sich, Doran für seine Arroganz zu bestrafen, sich auf ihn zu werfen, um ihm zu zeigen, wer der Stärkere war. Aber sie kam nicht weit. Ihm Ziel angekommen kämpfte sie gegen das aufkommende Schwindelgefühl an. Trotz der Anstrengung dämmerte ihr, dass es weitergehen musste, doch war ihr Körper mit seinem Wunsch nach Wasser und Erholung ein unbezwingbarer Feind. Mira setzte sich hin und versuchte ihre Wasserflasche in dem Wirrwarr aus Sträuchern und Bäumen ausfindig zu machen. Doran bemerkte ihre Bemühungen. Schnellen Schrittes holte er ihre Wasserflasche. Obwohl ihr Beine brannten und ihr Brustkorb in einem Tempo versuchte, Sauerstoff in den Körper zu pumpen, dass an den Takt bei den wildesten Tänzen in Treuefurt erinnerte, wollte Miranda nicht, dass Doran ihr die Trinkflasche brachte. Es durfte keine Schwäche gezeigt werden. Also drückte sie sich mit ihren Armen vom Boden ab und ignorierte Dorans ausgestreckte Hand, in der sich die verlockende Linderung für ihren ausgetrockneten Mund befand. Dieser quittierte dies, indem er die Wasserflasche mit einem gezielten Wurf zu der Stelle zurückbeorderte, von wo er die Flasche wenige Augenblicke, aber einige Herzschläge zuvor hergeholt hatte. Zufrieden registrierte sie, dass ihre Arme im Vollbesitz ihrer Kräfte waren, denn die würde sie gleich brauchen. Der Höhenflug währte kurz. Als sie stand protestierten ihre Beine gegen die unterbrochene Pause. Viel schlimmer fühlte sich ihr Kopf an. Er dröhnte, schmerzte und ließ keinen klaren Gedankengang zu. Fast keinen. Eines würde sie nie vergessen: Keine Schwäche zeigen. Also brachte sie ihre Füße zum Laufen in Richtung des Wasserschlauchs, denn diesen selber zu holen, demonstrierte die für sie so wichtige Stärke. Sie ignorierte den Schwindel. Plötzlich wurde ihr schwarz vor Augen. Kurz kämpfte sie gegen die Schwere in ihrem Kopf an, doch es war ein Kampf, den sie nicht gewinnen konnte. Wie ein Stein fiel Mira zu Boden. Es war zwecklos, den Sturz noch aufzuhalten. Mira hatte den Kampf gegen ihren Körper verloren, denn wie so oft stellte sich dieser als unbarmherziger Gegner heraus, der zu Mitteln griff, die sie nicht bekämpfen konnte. Einmal bezwungen, schaffte sie es seit kurzem immerhin, nicht den Weg in die Dunkelheit zu gehen, sondern, wenn auch eingeschränkt, bei Bewusstsein zu bleiben. In Erwartung des kommenden Schmerzes kniff das Mädchen die Augen zusammen, aber anstelle des Bodens wurde sie behutsamen aufgefangen. Sachte legten die Hände sie ins Gras. Eine Weile ruhte das erschöpfte Mädchen, sammelte Kräfte und wappnete sich für die kommenden Auseinandersetzungen. Zwar hatte sie eine Schlacht verloren, doch über kurz oder lang würde sie ihren Widersacher besiegen. Sie bemerkte, wie ihr die fremde Hilfe eine Wasserflasche an den Mund setzen wollte und diesmal wehrte Mira sich nicht gegen die Unterstützung. Gierig schluckte sie das Wasser herunter, welches bei der Berührung in ihrem ausgetrockneten Rachen die Schmerzen linderte. Schließlich lichtete sich der Schleier der Dunkelheit und Mira wagte zu blinzeln, um zu sehen, wer sie vor dem Sturz gerettet hatte. Ihr blickten zwei blaue Augen entgegen, denen die Besorgnis abzulesen war. Das Gesicht des anderen war ihr so nah, dass sie den Atem ihres gegenüber riechen konnte- eine Mischung aus Tannenzapfen und Salbei. Wie kannst du nur so stur sein? Du weißt, dass ich schneller renne als du. Lauf das nächste Mal lieber dein eigenes Tempo, anstatt mir hinterherzujagen, als würde es um Leben oder Tod gehen“, ermahnte sie ihr gegenüber. Wie eine Lawine brach die Erkenntnis über Mira hinein. Vor ihr stand Doran, welcher sie aufgefangen hatte. Ratschlag. Hatte er ihr gerade einen Ratschlag geben wollen? In ihr regte sich eine tiefe Kraft, welche sie sich manchmal selber nicht erklären konnte. „Sorg die um dich selber. Ich kann gut genug auf mich selber aufpassen“, schrie sie ihn an, wobei ihre letzten Worte mehr einem Krächzen glichen, da ihr Hals anscheinend noch nicht genug Wasser empfangen hatte. Seine Mundwinkel spannten sich an. Dorans Stirn zog sich zusammen und eine kaum sichtbare Röte breitete sich in seinem Gesicht aus. „Fass mich nicht an und komm bloß nicht auf den Gedanken, du würdest schneller sein als ich“, setzte Mira nach. „Du undankbares Miststück. Ich will dir nur helfen.“ Wild gestikulierte Doran vor Miranda herum. „Ich brauche keine Hilfe. Ich brauche keinen, der auf mich aufpasst.“ Mira erschrak über ihre eigene Stimme, welche lauter und schärfer geklungen hatte, als beabsichtigt. Es schien ihr, als wollte sich Doran von ihr abwenden, aber dann entschied er sich anders. Mit rotem Kopf starrte er sie an, ohne mit einer Wimper zu zucken. Mira erwiderte seinen Blick, fest entschlossen, nicht vor ihm wegzuschauen. Die Begegnung der Augen ist wie der Schwertkampf. Es gibt nur einen Unterschied. Geschicklichkeit gibt es hierbei nicht, es kommt einzig und allein auf deinen Willen an, den anderen zu dominieren. Es konnten nur wenige Herzschläge vergangen sein, aber Mira war in der Ewigkeit gefangen, veranstalte ein stilles Ringen mit ihrem Kontrahenten. „Du kannst von mir aus mit dir selber kämpfen, aber ich werde heute nicht mehr dein Kampfpartner sein.“ Seine Augen funkelten wie die Tannen im Wald, wenn die Sonne sie mit den ersten Strahlen des Tages begrüßte. „Du wurdest mit der Sturköpfigkeit eines Ochsen gesegnet und Worte der Dankbarkeit hast du vergessen wie wir Menschen das alte Volk“, klatschte er ihr entgegen. Nach seinen Worten unterbrach er den Augenkontakt und drehte sich von ihr weg hin zum Weg Richtung Kinnsbark. Fast hinter den Bäumen verschwunden, hielt er inne. Dann warf er einen Wasserschlauch in ihre Richtung. Mira musste sich strecken, um den Wasserschlauch aus der Luft zu fischen. Allein die Berührung des Wasserschlauches entlockte ihr einen Seufzer der Erleichterung. Sofort machte sie sich an, aus dem Wasserschlauch zu trinken. So beschäftigt, Wasser in ihren ausgedörrten Körper zu kriegen, bemerkte sie nicht, wie Doran sie kopfschüttelnd abwendetet und hinter den Bäumen verschwand. Jeder Muskel abwärts ihrer Hüften schmerzte, aber am meisten protestierte ihr brummender Schädel und forderte den Tribut für ihre Hetzjagd durch den Wald. Erneut musste sie sich den Mächten ihres eigenen Körpers geschlagen geben.

Das Training geht weiter

„Wo bleibst du denn“, schrie ihr Doran entgegen, eine Hand in die Seite gesteckt und die andere über die Stirn haltend, um nicht durch die untergehende Sonne geblendet zu werden. Der Wind trug seine Worte zu Mira herüber und peitschte ihr entgegen. Sie verdoppelte ihre Anstrengungen, schwebte beinahe über den Boden, schlug Haken wie die Hasen in den umliegenden Feldern. Natürlich hatte sie die Abkürzung über die Felder genommen, denn ansonsten hätte sie sich ihre Beine Wund gelaufen, bevor das Training begonnen hätte. Der Gedanke an das Desaster gestern Abend lenkte Mira ab, sodass sie mit einem Fuß in einer Wurzel hängen blieb. Den anderen Fuß bereits setzend taumelte sie und fiel, aber wie eine Katze rollte sie über den Boden, sprang auf die Füße und rannte weiter. Dabei glitten Scham und Wut an ihr vorbei, genauso wie die Landschaft, die nur so dahin rauschte. Wie konnte Doran schneller als sie rennen? Heute wollten sie kämpfen üben, Miras Lieblingsdisziplin. Berimirs Worte eroberten ihre Gedanken: Was interessiert dich das gestern, wenn du es heute besser machen kannst? Die letzten Schritte sprintete sie, schoss an Doran vorbei und erlaubte sich erst danach, auszulaufen. Ihr Freund drehte sich um, nun beide Arme vor der Brust verschränkt. Sie konnte seine Skepsis riechen, denn rein äußerlich erinnerte ihr Erscheinungsbild an gestern. Allerdings hatten sie gestern zum einen eine weitere Strecke laufen müssen und zum anderen war sie in seinem Tempo gelaufen. Selber schonte sie sich kein bisschen, doch mit einem schnelleren Partner an der Seite schaffte man es auf wunderliche Weise, Energiereserven zu aktivieren, die ansonsten verborgen blieben. Miras Hals brannte, doch im Vergleich zu gestern war dies eine spätsommerliche Brise, die ihren Rachen hinunterwehte. Ein Krieger konnte sich keine Pause erlauben, also musste es weitergehen. „Willst du jetzt Löcher in die Luft starren oder können wir endlich anfangen“, rief sie ihm zu. Seine Hände verkrampften sich zu Fäusten, aber anstatt einer Bemerkung beließ er es bei einer Kopfbewegung hin zu einer Tanne zu seiner rechten, sechs Fuß von ihm entfernt. „Na also, dachte schon du würdest kneifen.“ Sofort machte sie sich auf, ihre Waffen zu holen. Bis zum Sonnenuntergang konnte es nicht mehr lange dauern und die Zeit bis dahin sollten sie nutzen. Bei der Tanne angekommen, die wie ein Wächter gemeinsam mit ihrem Zwilling, der Tanne auf der gegenüberliegenden Seite, den Weg hinein in den Wald bewachte, nahm sie die Holzschwerter in die Hand. Mehr Dellen als blankes Holz zeugte von den zahlreichen Kämpfen der beiden, waren bleibende Erinnerungen an diese. Mehr als einmal hatte einer der beiden dem anderen mit einer solchen Wucht geschlagen, dass sie sich wunderten, wie stabil Schädel und restliche Knochen sein konnten. Sie warf ihm das größere der Schwerter hin und es landete sicher in Dorans Hand. Mira wippte mit ihren Füßen hin und her, wie eine Katze, bereit zum Sprung. Es ärgerte sie, dass dieser stand wie ein Meister bei Meditation, ruhig und besonnen, ohne Eile. Zwar war sie ihm in Beweglichkeit überlegen, kämpfte voll Leidenschaft, aber Dorans ruhige Effizienz schaffte es, ihre Angriffe abzuwehren. Ein letztes Nicken. Beide spuckten auf den Boden vor ihnen. Dann nahmen sie wie auf Kommando gemeinsam drei tiefe Atemzüge. Plötzlich kam Bewegung in das Spiel der beiden. Den ersten Schritt setzte Mira, kurz darauf einen zweiten, wie ein Jäger, welcher seine Beute gestellt hatte. Aber an ihrem Gang konnte man die Ungeduld erkennen und wegen der scheinbaren Selbstsicherheit öffnete ihre linke Seite, keinen Angriff erwartend. Ihr Widersacher harrte mit einer Gelassenheit in seiner Position aus, als wäre er zu einer Statue erstarrt. Einzig die Augen verfolgten ihre Bewegungen, unter trotz der Ruhe konnte man an seinem Gesicht erahnen, wie es in seinem Gehirn ratterte, was Miras nächster Schritt sein würde. Diese überbrückte die letzten Schritte, führte ihr Schwert wie ein Reiter eine Lanze und stand kurz davor, Doran vom Boden zu hebeln, aber im letzten Moment drehte dieser seine Schulter und das Schwert stieß ins Nichts, zog Mira hinter sich her. Der ungebremste Schwung brachte sie ins Stolpern und nur mit Glück entging sie Dorans Schwert, welches sie auf der Brust getroffen hätte, da sie sich unbewusst zusammenrollte. Fallen konnte Mira ohne Probleme und so stieß sie sich vom Boden ab, mit den Gedanken bereits beim nächsten Angriff. Diesen führte sie geschickter aus, denn Doran fiel auf ihre Täuschung hinein, weshalb seinen linken Arm eine schmerzhafte Lektion erteilt wurde. Erbarmen, dieses Wort kannte das Mädchen nicht, denn ohne zu zögern stürzte sie sich auf ihn, fokussierte ihre Bemühungen auf Dorans tauben Arm. Hierbei ging sie zu offensichtlich vor, denn ihre Anstrengungen richteten sich einzig und allein auf seine Schwachstelle und so konnte er sich verteidigen, indem er ihre Angriffsversuche richtig antizipierte. Mit jedem erfolgreichen Schlagabtausch kehrte mehr Leben in seinen linken Arm, wohingegen Mira aus Atem geriet, denn sie kannte keine Pause. Hatte man einmal ihren ersten Angriffen standhalten können, würde es mit jedem Atemzug leichter werden. Doran wusste dies und das Blatt wendete sich. Wie ein Bauer, der sein Feld bestellt, spulte er Schritt um Schritt ab, bewusst und mit entschlossener Gelassenheit. Nun beschränkte er sich nicht mehr aufs Parieren, sondern ging immer mehr in die Initiative. Seiner Präzision konnte Mira nicht viel entgegensetzen, sie steckte Treffer um Treffer ein. Aus ihrem erdachten Kampfkreis wurde sie zurückgedrängt, kam an dessen Rand und es fühlte sie an wie der Abgrund einer Schlucht, an welcher Gefahr bestünde, herunterzufallen. Wenn sie nicht gewinnen könnte, würde sie nicht ihre Ehre beschmutzen, indem sie den Kampf auf eine solch erniedrigende Weise beendete. In einem Akt der Verzweiflung brach sie nach vorne aus, aber Doran kannte sie. Er wusste, dass sie niemals auf diese Art und Weise verlieren würde, aber er wusste auch, dass er ihr ein Ende setzen musste, denn Mira kämpfte bis sie bewusstlos ging oder er nach den Regeln gewonnen hatte. Also schwang er sein Schwert auf ihre Brust und Mira rannte in ihr eigenes Verderben. Keiner bremste und so war es, als hätte sich ein Riese auf ihre Brust gesetzt, als das Schwert sie küsste. Vom Schwung nach hinten geworfen, wurde sie beinahe aus dem Kreis geschleudert, blieb jedoch auf der Linie liegen. Röchelnd schnappte Miranda nach Luft, kämpfte gegen die Sauerstoffknappheit an, doch in ihre Augen lag List und Tücke. Sie hatte nicht aufgegeben. Doran, nichtsahnend, beugte sich zu ihr herunter, wie als wolle er ihr helfen. Die Enge in Miras Brust nahm zu, aber nicht mehr wegen der Atemnot, sondern wegen diesem Trottel, der sie bemutterte, wo es nur ging. Dem Frust über seine Überlegenheit und der Leichtigkeit, mit der er sie besiegt hatte, musste Lauf gelassen werden. Wenn er auf dem Schlachtfeld auch so kämpfen würde, wie ein Fürsorger, der sich um seine Kranken kümmert, wäre er der nächste, der an der Pforte des Schöpfers klopfen könnte. Sie würde ihm Kriegsmanieren einhämmern. Mit einem Schrei sprang sie ihm entgegen und der Junge, nicht an einen Schlag denkend, hatte keine Chance das Schwert abzuwehren. Sie hatte auf sein Schienbein gezielt und an dem Gesichtsausdruck ihres Freundes konnte sie erkennen, dass er seine Achtsamkeit bereute. Wie ein Vulkan brodelten wüste Beschimpfungen aus ihm heraus, prasselten auf Mira herunter, die dies sichtlich genoss. Sie hatte sich schnell zurückgezogen und frohlockte angesichts der Unbeherrschtheit, die den sonst so ruhigen Doran gepackt hatte. Doran rannte ihr entgegen, die Zähne gefletscht und alle Abwehr vergessend. Um sich keine Blöße zu geben, nahm sie ihre Beine in die Hand und schon verkeilten sie beide in wilder Raserei ineinander. Ein sichtlich erregter Doran kämpfte jetzt gegen Mira, die aus ihrem anfänglichen Fehler gelernt hatte. Schweißperlen tropften von seinem Gesicht und schlugen ihr entgegen, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte. Ein Tropfen landete auf ihrer Wange, rann erst langsam und dann immer schneller herunter, nahm einen Umweg über den Mund, um schließlich im Gras unter ihr zu landen. Mira schmeckte Salz, als das Wasser ihren Mund berührte und hätte vor Verzweiflung aufheulen können. Auf ihren Bauch spürte sie das Gewicht Dorans, der sich auf sie gesetzt und ihre Arme mit seinen Knien eingeklemmt hatte. Trotz der Demütigung fühlte sich der Körperkontakt richtig an und in einer anderen Situation hätte sie diesen mehr begrüßt, aber jetzt hätten die Rollen der beiden getauscht sein sollen. Nachdem sie ihre Schwertkampfübungen beendet hatten, wollte Doran den Heimweg antreten, aber Mira hatte ihn nicht gehen lassen. Sie hatte sich auf ihn geworfen und ihn solange beackert, bis ihm gar nichts anderes übrig blieb, als sich zu wehren und gegen sie zu kämpfen. So hatten sich die beiden einige Zeit im Gras gerollt, an der Mündung zum Wald und obwohl Mira die bessere Kämpferin der beiden war, konnte sie, sofern Doran es schaffte, sich auf sie zu werfen, nichts mehr gegen den schwereren Jungen ausrichten. Aus diesem Grund lag sie nun dort und spürte schmerzhaft eine Wurzel im Rücken, in welche sie Dorans Gewicht drückte. „Sind wir fertig?“, fragte Doran, doch die Gewalt, mit der er sie auf den Boden drückte, sprach eine andere Sprache. Er kannte sie einfach zu gut. Mira wollte zu einer Erwiderung ansetzen, aber ein Atemzug reichte aus, um all ihre Angriffsbemühungen auszulöschen. Kurz vergaß sie zu atmen und in diesem Moment spürte sie, mit welcher panischen Kraft ihr Herz hämmerte. Sie zwang sich, weiter durch die Nase zu atmen, denn sie brauchte Gewissheit, aber der Geruch verschlimmerte sich und sie unterdrückte einen aufkommenden Hustenreiz. „Beuchers Räucherer“, krächzte sie. Doran verstand sofort. Er rollte sich herunter, schnappte sich instinktiv sein Schwert während er sich immer wieder durch die Haare fuhr, was dazu führte, dass er dem Boden unter sich eine unverhofft wässrig-salzige Erfrischung gönnte. Scheiße, Scheiße, Scheiße! Endlich befreit sprang Mira auf, um im Dorf nach dem unverhofften Besuch zu schauen. Ihr Kopf war ein einziges Karussell voller Gedanken, die sich mit jedem Augenblick schneller und schneller drehten. Eigentlich konnte es sich nicht um kirchlichen Erlöser – so nannten sie sich selber – handeln, denn abends und in der Nacht überließen sie die Welt sich selbst, nur um am Tage Urteile gegen all das Magische in der Welt zu vollstrecken. Das ganze Volk, Mira und Doran eingeschlossen, glaubte an Soris, den Gott des Lichtes, und das ganze Volk verachtete Mephistos, den Bringer der Bosheit, aber bei dem Wahnsinn, all das Magische zu vernichten, wollte und konnte Mira nicht glauben. Beuchers Räucherer waren die von Beucher, dem Oberhaupt der Kirche, ernannte Avantgarde des Guten, mit der Befugnis ausgestattet, dem Bösen mit allen Mitteln entgegenzutreten. Dort wo Beuchers Räucherer erschienen, brachten sie Tod und Verderben, denn sie verbrannten Menschen und andere Geschöpfe, die mit Magie in Verbindung gebracht wurden. „Dein Vater, er-“. Doran biss sich auf die Zunge, verstummte und wünschte sich, er hätte die Worte nie ausgesprochen. Galle kam in Mira hoch und es kostete sie alle Beherrschung, runterzuschlucken und durchzuatmen. Kinsbark war zu weit entfernt, als dass sie Personen ausmachen konnten, sodass sie mutmaßen mussten, was vor sich ging. Das einzige, was Mira auffiel, waren helle Lichtstrahlen, die in den Himmel stiegen, und es sah aus, als würde mitten im Dorf die Welt in Flammen stehen. „Ich muss zurück, ich muss zu Vater.“ Doran kannte sie gut, zu gut, und so hatte er sich schon vor ihr aufgebaut, um sie daran zu hindern, Unüberlegtes zu tun. „Ich weiß, dass du am liebsten alles in der Welt tun würdest, um jetzt in das Dorf zu gehen, aber wir wissen nicht, was vor sich geht. Deshalb lass uns jeden Schritt überlegen, denn wenn stimmt, was Bermimir sagt, hängt nicht weniger als unser und sein Leben davon ab.“ Er betonte es, als hätte er vergessen, was Berimir ihnen gesagt hatte.

Der nächtliche Ausflug zu Majas Höhle

40 Minuten, ein paar blaue Flecke und einige Schmerzensschreie später, legten zwei nassgeschwitzte, sichtlich erschöpfte Jugendliche ihre Schwerter beiseite. Die Sonne war bereits untergegangen, aber dies machte den beiden nichts weiter aus. Der Wald war für die beiden zu ihrem zweiten Zuhause geworden, schließlich trafen sie sich hier fast jeden Tag, so oft, wie es ihnen möglich war. Meistens trafen sie sich kurz vor Sonnenuntergang, nachdem sie ihre Tagespflichten erledigt hatten. Oft blieben sie bis spät in den Abend in dem Wald und trainierten den Umgang mit Schwert, Bogen und Messern. Außerdem übten sie sich vom Fährtenlesen über das Fallenstellen und Klettern bis hin zum Erkennen und Erzeugen von Tierrufen. Demnach machte ihnen die Dunkelheit nichts aus, weil sie sich quasi blind durch den Wald bewegen konnten. „Hast du noch Lust nach Maja zu suchen, ich habe lange nichts mehr von ihr gehört und gesehen?“, fragte Miranda ihren Übungspartner. Dieser schien ein wenig unschlüssig, wackelte er doch von dem einen Fuß auf den anderen und kratzte sich fragend an seinem Kinn, aber mit einem „Ja, können wir machen, wenn es schnell geht“, entschied er sich letztlich für einen Ausflug zu Maja. Schon müde vom Kämpfen, nahmen sie die Schwerter, Pfeil und Bogen und den halbvollen Trinkschlauch mit sich und trotteten gemächlich tiefer in den Wald hinein. Anfangs noch auf einem breiten Feldweg, kamen sie nach einigen Minuten an eine Lichtung, an der die beiden kurz stoppten. An der Lichtung teilte sich der Weg in zwei weitere Wege auf. Ein Lächeln huschte auf Mirandas Gesicht, als sie sich daran erinnerte, wie sie sich hier als kleines Kind verirrt hatte, sodass sie das halbe Dorf in Aufruhr versetzt hatte. Sie war links abgebogen und folgte dem Feldweg Richtung Bragira. Dieser Weg war voller Gefahren und Tücken, so zumindest erzählten es die Eltern in dem Dorf ihren Kindern abends als Schauergeschichte. Auf dem Weg sollten alte Geister ihr Unwesen treiben, mit dem einzigen Ziel, Wanderer von dem Weg abzubringen und in den endlosen Weiten des Waldes zu verirren, bis irgendwann ein wildes Tier die Anwesenheit des Eindringlings bemerkte und sich seiner annahm – oft zum schlechteren Ende für den Wanderer. Wegen dieser Schauergeschichten wurde der Feldweg nach Bragira gemieden, aber die kleine Miranda dachte an dem einen Tag nicht an diese Gefahren, sondern war nur vor lauter Neugier, was sie denn in diesem unbekannten Wald erwartete. Schon nach wenigen Minuten auf dem Weg hörte das kleine Mädchen eine liebliche Vogelstimme, die sie dazu brachte, den Weg zu verlassen und tief in den Wald vorzudringen. Nachdem die liebliche Vogelstimme verstummte und sie umkehrte, um auf den Feldweg zurückzukehren, schien es ihr, als würde sie den gleichen Weg zurücknehmen, den sie zuvor gegangen war, aber nach einer Suche musste Miranda feststellen, dass sie sich verlaufen hatte. So blieb der kleinen Miranda nichts weiter übrig, als sich auf einen Baum zu hocken und darauf zu hoffen, gefunden zu werden. Erst spät in der Nacht wurde das weinende Mädchen von ihrem Vater gefunden, der kurzerhand das halbe Dorf mitnahm, um nach seiner verschwundenen Tochter zu suchen. Nur einem aufmerksamen Fährtenleser war es nach bereits stundenlanger Suche gelungen, ihre winzigen Fußspuren in dem Wald zu sichten und den Suchtrupp auf den Feldweg nach Bragira zu führen. Von dort teilte Mirandas Vater die Dorfbewohner auf, in verschiedenen Bereichen des Waldes zu suchen. Schlussendlich war er es gewesen, der das kleine Mädchen von dem Baum hob und auf dem gesamten Rückweg bis ins Bett der Kleinen sie nicht mehr aus den Armen gab. Beim Gedanken an diese Geschichte, die für zwei Tage das erste Gesprächsthema in Kinsbark gewesen war, fühlte sich Miranda groß und stark, denn seitdem hatte sie sich nicht mehr in dem Grünwald verlaufen, mehr noch, er war ihr zu ihrem zweiten Zuhause geworden. „Guck dir diese Schönheit an“, sagte Doran, der stehen geblieben war, seinen Kopf in den Nacken gelegt hatte und mit genussvollem Blick Richtung Mond und Sterne schaute. Miranda machte bei dem Klang der Stimme einen Satz nach hinten. „Musst du mich gleich so erschrecken?!“, giftete das langsam an Fassung gewinnende Mädchen den Jungen, den Grund für die Unterbrechung ihrer Träumereien, an. Dieser reagierte auf ihre Worte mit keiner Miene, sondern starrte weiter verträumt in den wolkenlosen Himmel. Einen frechen Spruch auf den Lippen verkniff sie sich gerade noch so, als sie in sein Gesicht blickte. Doran mit einem so entspannten Gesicht und dieser Friedlichkeit, die sie nicht oft in seinen blauen Augen sah, wollte sie nicht diesen Moment zerstören, obwohl etwas tief in ihr sie reizte, einen provozierenden Spruch zu reißen. Stattdessen besah sie sich lieber den neben ihr stehenden Doran, welcher unverändert in den Nachthimmel blickte. Seine Brust hob und senkte sich kontinuierlich und an seinen definierten Oberarmen konnte sie die Spuren des heutigen Übungskampes erkennen. Hatte er schon immer diesen Körper oder war dies eine Folge der ständigen Arbeit in der Schmiede, in welcher Doran seit drei Monaten arbeitete. Gerade als sie in seine blauen Augen schaute, löste er den Blick vom Himmel und schwenkte mit seinem Kopf nach links, sodass er Miranda direkt in die Augen schaute. Diese, von dem plötzlichen Augenkontakt überrascht, blickte beschämt zu Boden. „Wie ich sehe, hast du die prächtige Aussicht wahrlich genossen“, bemerkte der vom einem zum anderen Ohr grinsende Doran. „Glaubst du allen Ernstes, ich würde beim Anblick von dir genießen? Ich habe bloß gewartet, bis du endlich fertig bist, deinen albernen Mond und die Sterne zu beobachten“, konterte Miranda, aber schon im nächsten Moment bereute sie ihre Worte, denn sie konnte schnell genug sehen, wie durch das eben noch so friedlich dreinschauende, grinsende Gesicht eine kurze, intensive Welle des Schmerzes jagte. Ihren Fehler wieder gut machen wollend, überlegte das Mädchen, wie sie die Situation wieder halbwegs in Ordnung bringen könnte, als auf einmal ein markerschütternder Schrei erklang. Entsetzt schaute Miranda zu Doran herüber, der bereits mit angespanntem Körper einen mit Pfeil gespannten Bogen in seinen Händen hielt. Erst seine Kampfposition sehend, wurde ihm bewusst, in welch verkrampfter Position sie sich befand. Alle Muskeln in ihrem Körper waren angespannt und in Kampfposition hielt sie das Holzschwert in der rechten Hand. Innerlich verfluchte Miranda sich für ihre Dummheit, nicht Pfeil und Bogen, sondern das Holzschwert gezückt zu haben, welches im Kampf gegen Wildschweine, Wölfe oder die Kreatur, die diesen markerschütternden Schrei ausgestoßen hatte, gänzlich uneffektiv sein würde. Ihre Wut über sich selber runterschluckend, horchte Miranda aufmerksam nach weiteren Schreien und Geräuschen, die etwas über die Position des Wesens, das diesen Schrei ausgestoßen hatte, verrieten. Doch bis auf die wegfliegenden Vögel, das Rascheln der Blätter und Äste, wenn die Vögel die Bäume verließen, und die Atmung von ihr und Doran, konnte Miranda keine weiteren Geräusche ausmachen. Auch ihr so geschulter und an den Wald gewöhnter Blick konnte in dieser Dunkelheit nichts Ungewöhnliches entdecken. „WAS war das?“ „Miranda, ich weiß nicht, was für eine Kreatur so ein Schrei ausstoßen kann, aber ich weiß, dass ich ein solches Wesen nicht kennenlernen möchte.“ Ohne auf ihn einzugehen, sagte sie: „Das kam aus der Richtung von Majas Höhle. Los, lass uns nachsehen, ob mit Maja alles in Ordnung ist.“ Dorans Augen weiteten sich bei ihren Worten. „Das ist viel zu gefährlich. Was ist, wenn wir der Kreatur begegnen? Ein Biest, welches so einen Schrei ausstoßen kann, wird aus uns Kleinholz machen“, antwortete Doran. „Mir egal, was für ein Biest da draußen ist und wie gefährlich es für uns ist. Wenn wir es nicht mit dem Wesen aufnehmen können, wird es Maja erst recht nicht können“, sagte Miranda mit eindringlicher Stimme. „Bislang ist sie immer gut ohne unsere Hilfe zurechtgekommen, obwohl es hier im Wald nur so vor Gefahren für sie wimmelt. Ein weiteres Monster wird ihr wohl keine Probleme bereiten“, zischte der Junge. „Wenn es wahr ist, was die Alten sagen, dann ist dieses Monster nicht wie die anderen. Wir sollten sie zumindest warnen. Ansonsten wird sie dem Ungeheuer ahnungslos ausgeliefert sein“, reagierte Miranda mit lauter werdender Stimme. Ungläubig schüttelte Doran den Kopf. „Verstehst du es denn nicht?! Einer solchen Kreatur würden wir nicht gewachsen sein. Sollte es wirklich in der Nähe von Majas Höhle sein, hilft nur noch beten. Lass uns zurück zum Dorf gehen und deinem Vater Bescheid sagen. Er wird wissen, was zu tun ist“, antwortete Doran mit bebender Stimme. „Du Narr. Wenn wir jetzt umkehren, werden wir längst zu spät wieder bei Maja sein. Ich werde nachschauen, was sich hinter diesem Schrei verbirgt, und wenn du endlich mal Herz beweisen würdest und deine selbstzufriedenen, vor Angst wimmernden Eier aus der Hose holen würdest, kommst du mit“, sagte Miranda, jedes einzelne Wort betonend und die ganze Zeit mit den Augen fixierend. Dann drehte sie sich nach links und ging mitten in das Gestrüpp und die Bäume hinein, den Pfad zu Majas Bau nehmend. Die ersten Minuten drehte sich Maja kein einziges Mal um, um zu schauen, ob Doran ihr folgte. Tief im Inneren hoffte sie, hinter ihr die Schritte von ihm zu hören und seinen beruhigenden Atem in ihrem Nacken zu spüren. Langsam wich die Wut in ihr einer beißenden Angst, die an ihr nagte und unablässig in ihrem Geist ihr Unwesen trieb: Was für ein Wesen kann so einen Schrei ausstoßen? Handelte es sich tatsächlich um dieses von Hass triefende Monster, welches als Lieblingsspeise Menschenherzen aß, oder war dies nur ein Märchen der Alten?, waren Gedanken, die in ihrem Geist umherschwirrten. Plötzlich hörte sie ein Rascheln hinter sich. Sofort riss sie den Bogen an sich und legte einen Pfeil in die Sehne. Mirandas Herz pochte wie wild und hämmerte mit jedem Schlag gegen ihre Brust. Jedes Pochen fühlte sich so laut an, wie wenn Berimir auf eines der Hufeisen schlug. War ihr Herzschlag so laut, dass das Monster sie hören würde? Oder hatte das Monster gar die Fähigkeit, Menschen zu riechen? Lautlos verharrte sie in ihrer Position, jederzeit bereit, die Sehne des Bogens loszulassen. Die Stelle fixierend, an der sie das Geräusch gehört hatte, wartete Miranda auf eine Regung im Gebüsch. Es raschelte erneut. Ihr Herzschlag beschleunigte sich abermals. Plötzlich nahm sie eine Bewegung in der Nähe des Busches wahr. „Zischhhhhhh.“ In wenigen Sekundenbruchteilen hatte Miranda ihren Pfeil abgeschossen und er flog in Richtung des Ortes, an dem sie die Bewegung wahrgenommen hatte. Ein Schmatzen ertönte, so wie sie es schon oft gehört hatte, wenn sie wilde Tiere im Wald erlegt hatte, gepaart mit einem kurzen, schmerzhaften Quicklaut. Schnell legte Miranda einen weiteren Pfeil in die Sehne und näherte sich Schritt um Schritt, darauf bedacht, auf keine Äste oder Gehölz zu treten, mit gespanntem Bogen der Einschlagstelle ihres Pfeiles. Hatte sie das Biest etwa mit diesem einen Pfeil getötet oder stellte es sich nur tot, um sie gleich zu verschlingen, wenn sie sich nur nah genug der Einschlagstelle näherte, dachte Miranda. Je näher sie der Stelle kam, desto mehr zog sich ihr Brustkorb zusammen und ihr Bauch fing an zu kribbeln. Als sie nur noch wenige Meter von der Stelle entfernt war, schlug ihr das Herz bis zum Hals. Doch mit einem Mal senkte sie ihren Bogen und ihre angespannten Schultern entspannten sich ein wenig. Vor ihr lag ein totes Eichhörnchen, in dessen Kopf der Pfeil steckte. Eine Blutlache hatte sich um den Kopf gebildet. Die ganze Angst nun abgeschüttelt, lachte Miranda lauthals los. Dieses mickrige Eichhörnchen hatte ihr diese ganze Angst gemacht, dachte das Mädchen. Bedächtig zog sie den Pfeil aus dem Kopf des Eichhörnchens und wischte das Blut an ihrer Hose ab. Kurz verweilte sie, das tote Lebewesen betrachtend und bedauerte dessen unnötigen Tod, konnte es aber gerade nicht mitnehmen, da sie ihre Tasche nicht mitgenommen hatte. Sie sog noch einmal tief Luft in ihre Lungen ein, um danach den Weg weiter Richtung Majas Höhle zu nehmen.

Verstärkung

Vor Hitze nur so kochend und mit wild bebenden Schultern starrte Doran ihr fassungslos hinterher. Immer wenn er glaubte, dass er nicht wütender auf Miranda sein konnte, wurde er eines Besseren belehrt. Dieses widerborstige kleine Miststück glaubt immer, dass sie es mit der ganzen Welt aufnehmen könnte und hat keinen Funken Verstand in ihrer Birne. Und schlussendlich darf sie ein anderer aus ihrem Schlamassel herausholen. Nach diesem Gedanken löste sich der Junge aus seiner Starre und löste den Blick von der Stelle, an der Miranda aus seinem Sichtfenster verschwunden war. Ruckartig drehte er sich schnurstracks um und ging in die Richtung zurück, aus der beide hergekommen waren. Nach ein paar Minuten fing Doran an zu frösteln. Seine anfängliche Hitze im Eifer des Zornes war verraucht und erst jetzt wurde ihm wieder die Kälte bewusst, die sich im Wald nach Sonnenuntergang ausgebreitet hatte. Der Gedanke an Miranda löste in ihm nun keine Wut, sondern bloß Angst hervor: Wie es wohl ihr gerade erging? Er wollte schon fast umdrehen und ihr hinterherlaufen, doch bei dem Gedanken, wieder in den Wald zurückzugehen, noch dazu alleine, fröstelte es ihn so sehr, dass er sich seinen Umhang noch enger um sich schlang. Plötzlich erinnerte er sich an seine Idee, zu Berimir zu gehen, um ihn um Rat zu fragen und so sprintete der Junge los, um Mirandas Vater von dem Schrei und Mirandas Gang zu Majas Höhle zu erzählen. Hechelnd und nach Luft schnappend erreichte Doran Kinnsbark. Die alte Lotte und Lutger riefen etwas in Dorans Richtung, aber dieser nahm ihre Rufe gar nicht wahr, sondern rannte direkt weiter Richtung Schmiede, in welcher Berimir mit Miranda hauste. Auf dem Weg zur Schmiede kam er an seiner spärlichen Behausung vorbei, bei der er schnell Bogen, Pfeil und Köcher und das Holzschwert abstellte, um direkt im Anschluss weiterzurennen. „Hey, du alter Strohsack. Wo hast du denn deine kleine Waldfreundin gelassen?“, rief ihm eine Stimme zu, als er nur noch wenige Häuser von der Schmiede entfernt war. Kurz flackerte Wut in seinem Inneren auf, aber der Gedanke an Miranda legte diese sofort beiseite und so ignorierte er Tjorne, der mit ein paar anderen Jungs in der Nähe eines Hauses herumlungerte. Das Lachen der Jungs registrierte er, aber dann kam bereits die Schmiede in Sichtweite, sodass er nochmal alle Kraft zusammennahm und die letzten Fuß zur Holztür in vollstem Tempo zurückjagte. Sein Brustkorb hob und senkte sich in einem wahnsinnigen Tempo und seine Lungen sogen soviel Luft ein, wie sie mit jedem Atemzug konnten. Klitschnass geschwitzt klopfte der Junge an die Tür. Erst jetzt wurde ihm bewusst, was er gleich würde Berimir erklären müssen. Wie konnte er nur verhindern, dass Mirandas Vater von ihrem gemeinsamen Kampftraining im Wald erfuhr? Mehr noch grauste es ihm davor, davon zu erzählen, dass sie so tief in den Wald vorgedrungen waren, zu Stellen die selbst die Jäger und Holzfäller seit Neustem nur in äußersten Notfällen aufsuchten. Aber am Größten war die Angst davor, ihm zu beichten, dass er Miranda im Stich gelassen hatte. Gebannt hörte er auf Schritte in der Schmiede: Nichts. Doran klopfte erneut an die Tür, aber auch das brachte keinen Berimir vor die Tür. Schließlich drehte er sich gestresst von der Tür weg. Die Augen zu Boden gerichtet und mit schnellen Schritten nahm der Junge den Weg zurück zum Fröhlichen Wildschwein. Wenn es einen Ort gab, an dem sich Berimir aufhielt, wenn er nicht gerade in der Schmiede war, dann in dem Gasthaus gleich neben Toms alter Metzgerei. „Wenn ich weiter soviel Zeit verliere, werden wir niemals rechtzeitig zu Miranda kommen“, dachte Doran und eilte in Richtung Fröhliches Wildschwein. Jäh verfing sich sein linkes Bein in etwas und brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Schon den rechten Fuß nach vorne setzend, fiel der Junge einfach nach rechts und vorne weg und krachte gegen eine Wand, die ihn mit einem lauten „Buuuuum“ zu Boden warf. Sein Schädel dröhnte und Doran glaubte für einen kurzen Augenblick, Sterne zu sehen. Auf dem Boden liegend rieb sich Doran mit zusammengekniffenen Augen und angespannten Mundwinkeln seine Schläfen und tastete Gesicht und Körper nach Verletzungen ab. Bei dem leichten Druck auf seine rechte Augenbraue durchzuckte es ihn wie ein Blitz und ihm entglitt ein leises Stöhnen. An dieser Stelle hatte es ihn voll erwischt und es bildete sich bereits ein Bluterguss. „Was um alles in der Welt hat mich nur so ins Schleudern gebracht?“, dachte Doran. Allmählich konzentrierte er sich wieder mehr auf seine Umwelt und weniger auf das dumpfe Pochen in seinem Kopf und die schmerzenden Glieder. Ein lautes Lachen links von ihm weckte ihn endgültig auf. Eine böse Vorahnung schlich sich in seinen Geist und als er die Augen öffnete, wurde der junge Kerl in seiner Vorahnung bestätigt. Wenige Fingerbreit vor seinen Augen erblickte er einen so weit aufgerissenen Mund, dass er ungewollt in den Anblick jedes einzelnen, gelblichen Zahnes kam. Aus dem Hals des Körpers erschwoll in kurzen, unregelmäßigen Abständen ein tiefes, dröhnendes Lachen, welches nicht nur einen warmen Luftzug in Dorans Gesicht wehte, sondern auch einen fauligen, widerwertigen Gestank mitsichbrachte. Die Augen des Kerls funkelten wie wild. „Hast du keine Augen im Kopf oder warum rennst du hier wie vom Teufel gejagt rum und schaust noch nicht einmal, wo du hinläufst?“, fragte Thorne in einem gefährlichen Plauderton, der verriet, dass dies eine unangenehme Angelegenheit werden könnte. Doran schaffte es gerade so, nicht vor Übelkeit zu kotzen, denn die Worte Tjornes brachten einen neuen Schwall des üblen Geruches mit sich. Außerdem war Spucke aus Tjornes Mund auf Dorans linker Backe gelandet. Ein wenig Abstand zwischen sich und Tjorne bringend, wischte der junge Kerl die Rotze von der Backe. Mit dem neuen Sichtfeld wurden ihm die Gestalten hinter Tjorne bewusst. Michael, Schleicher und Arschgesicht blickten belustigt in das Gesicht von Doran und in ihren Augen blitzte die diebische Freude über das kleine Spektakel vor sich. „Warum ging heute nur alles schief, was schiefgehen konnte?“, bemitleidete sich Doran seinem Inneren selbst. Hinter ihm war die Wand, gegen die er geknallt war, vor ihm Tjorne und hinter Tjorne seine Freunde, die mögliche seitliche Fluchtwege versperrten. Bei dieser zahlenmäßigen Überlegenheit schwand seine Hoffnung, schnell und heil aus dem Schlamassel herauszukommen. Mit Mühe unterdrückte der Junge die Stimme in ihm, die seinen Peiniger zur Rede stellen wollte, warum er ihm ein Bein gestellt hatte. Stattdessen sagte er: „Tjorne, ich habe jetzt keine Zeit für solche Spielchen. Bitte lass mich einfach durch und sag mir lieber, wo sich Berimir befindet.“ Dorans Worte hörend zog Tjorne seine rechte Augenbraue hoch und musterte Doran belustigt. „Willst du dich bei Berimir ausweinen, weil du von Miranda fertiggemacht wurdest?“, antwortete Tjorne. Die Kumpanen in seinem Rücken lachten laut auf. „Es geht hier nicht um mich, sondern um Miranda! Ihr Leben ist in Gefahr und wenn ich schnell mit Berimir sprechen kann, wird sie noch sterben!“, versuchte Doran Tjorne zu überzeugen. „Sterben?! Pahh. Ich weiß nicht, in was für einer Welt du lebst, aber nur weil sie im Wald ist, heißt das noch lange nicht, dass ihr Leben in Gefahr ist. So wie es aussieht, ist es nicht Miranda, um die man sich sorgen sollte, vielmehr bist du es. Hättest mal dein Gesicht sehen sollen, als die an uns vorbeigelaufen bist. So einen irren Anblick in deiner Fratze habe ich lange nicht mehr gesehen“, setzte ihm ein grinsender Tjorne entgegen. Dorans Schultern sanken ein wenig weiter zurück und er ließ den Kopf noch mehr hängen. Kaum merklich schüttelte er mit seinem Kopf: Warum musste dieser Kerl so ein Sturkopf sein und verstand nicht mal die einfachsten Dinge? „Natürlich kommt sie alleine zurecht. Aber hast du nicht von dem Wardrack gehört, welches sein Unwesen in dem Wald treiben soll? Wir haben das Untier schreien hören: Es war…“, schrie Doran Tjorne in sein Gesicht. „Du Spinner, glaubst du echt, dass die Alten an diesen Schwachsinn glauben? Das sind Schauergeschichten, mit denen sie den Kindern weißmachen wollen, dass sie nichts im Wald verloren haben. Wie kannst du nur so leichtgläubig sein und diesen Mist wirklich ernst nehmen?“, unterbrach Tjorne Doran jäh. Dann ging er energisch einen Schritt auf Doran zu. „Und eines sage ich dir: Dafür, dass du mich erstens für blöd verkaufen willst und zweitens mir nicht mal guten Tag sagst, obwohl ich dich doch eben so nett gegrüßt habe, wird dir nun etwas Verstand in dein gottverdammtes Hirn eingehämmert“, und mit diesen Worten verkleinerte er den Abstand zwischen sich und Doran erneut. Dieser wich zurück, aber bereits nach wenigen Fuß stieß er gegen die Wand hinter sich. Den Schmerz in seinen Gliedern und den Schläfen ignorierend, sprang Doran hoch und stellte sich mit erhobenen Fäusten Tjorne entgegen. Seine Augen flackerten auf bei Dorans Reaktion und er wich einen halben Schritt zurück. Dies brachte seine schwarzen, langen Haare so in Bewegung, dass sie geradewegs in sein Gesicht flogen und ein Auge von ihm verdeckten. Bedächtig und in Zeitlupentempo strich er sich mit der rechten Hand die Strähnen aus dem Gesicht. Sein Mund spitzte sich zu. Nun hob auch er die Fäuste und ging leicht in die Hocke. Für kurze Zeit fixierten sich die beiden Kontrahenten, keiner bereit, den ersten Angriff zu wagen. „Darius: Komm herüber und hilf mir bei diesem widerspinnstigen Bengel, der eine Lektion verdient hat“, löste Tjorne schließlich die Totenstille. Mit den Augenwinkeln nahm Doran wahr, wie sich Arschgesicht langsam in seine Richtung bewegte. Sein genarbtes, von Furchen überzogenes Gesicht ließ so etwas wie Freude aufblitzen. Dies erkannte Doran allein deswegen, weil ihm solche Situationen des Öfteren begegneten und er allzu gut die Freude der Jungs über eine anstehende Rauferei in ihren Augen sehen konnte. Doran schätzte die Situation schlecht für ihn ein. Nie hatte er ohne Miranda gegen die Streitsüchtigen gekämpft und dass er momentan nicht mal gute Ausweichmöglichkeiten besaß, erhöhte seine Chancen auf ein heiles Ende nicht gerade. Mit einem letzten Anlauf versuchte er Tjorne und seinen Freunden die Dringlichkeit der Situation bewusst zu machen: „Bitte kommt zur Vernunft. Wenn ihr ein Funken Ehre und Mitgefühl in euren Herzen habt, helft mir, Berimir zu finden, sodass wir Miranda retten können. Ich weiß nicht wo sie steckt und wie es ihr geht. Aber wenn sie in Gefahr ist, braucht sie unsere Hilfe. Lasst mich wenigstens vorbei und hindert mich nicht daran, Hilfe zu holen.“ Ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, guckten ihn die Streithähne weiter an. Keiner bewegte sich einen Fingerbreit zur Seite. Arschgesicht hatte mittlerweile neben Tjorne platzbezogen und reckte seine wurstigen, fettigen Fäuste in die Luft, jederzeit bereit die Prügelei anzufangen. Vor den riesigen Pranken des Kerls hatte Doran ordentlich Respekt, da er selbst ein paarmal erfahren musste, was es heißt von einem solchen Koloss getroffen zu werden. Beim Anblick der Fratze von Arschgesicht, lief ihm ein Schaudern den Rücken herunter. Hatte er schon wieder eine neue Narbe durch seinen Vater erlitten?, dachte Dorian mitfühlend. Diese kurze Phase des Mitgefühls verschwand rasch wieder, als er Arschgesichts Augen erblickte, die in dieser Situation nichts als Hass, Wut und Vorfreude hergaben. Der Blick zu Tjorne verriet ihm, dass dieser deutlich zuversichtlicher geworden war. Seine Miene war deutlich heller geworden und seine Mundwinkel zeigten weiter nach oben, als eben zuvor. In Tjornes Augen konnte er lesen wie in einem offenen Buch. Vor Gier und Vorfreude auf eine bevorstehende Peinigung war dieser Junge ganz außer sich. Dorans Blut rauschte in seinen Ohren und er spürte ein Kribbeln, welches durch den ganzen Körper zog. Die Kälte der Nacht war wieder verschwunden und einer hohen Wachsamkeit und Fokussierung auf den bevorstehenden Kampf gewichen. Da hörte Doran laute Schritte über die Straße gehen. Als nächstes kamen Stimmen dazu, welche mit jedem Moment lauter und lauter wurden. „Da kommen Männer Tjorne, lass uns abhauen“, sagte einer der Jungs zu ihrem Anführer. Einen letzten sehnsüchtigen, wütenden Blick auf sein Opfer werfend, gab Tjorne der Verlockung nach und ging zielstrebig in die entgegengesetzte Richtung, aus der die Schritte kamen. Seine Freunde folgten ihm, wobei gerade Arschgesicht die Enttäuschung abzulesen war. Doch bevor er endgültig in den dunklen Straßen des Dorfes verschwand, zischte er zu Doran herüber: „Glaub mir: So einfach kommst du mir nicht davon. Deine Lügenmärchen und deine Unhöflichkeit werden ein Nachspiel haben, darauf kannst du dich gefasst machen.“ Ein Großteil der Anspannung wich aus Dorans Körper, als die Jungs um Tjorne das Weite gesucht hatten. Er atmete dreimal tief durch und als die Stimmen nah genug herangekommen waren, nahm er die tiefe Stimme von Berimir wahr: „…wir sollten nach Treuefurt fahren, damit wir Näheres herausfinden können…“ Sein Herz setzte einige Freudensprünge und geschwind rannte er der Stimme von Berimir entgegen. Es dauerte nur kurz und er fand die vier Männer und Berimir, die ihm entgegenkamen und sich angeregt unterhielten.

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  • Kapitel 2 - „Männer.“ Dann schaute er jedem der vier für ein paar Sekunden in die Augen
  • Prolog - „Armanda“, zischte die Schlange auf. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Sie wusste nicht, ob sie diese Information gut oder schlecht finden sollte.
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